Azra ringt nach Worten. Die Mittzwanzigerin hat es im Leben „manchmal doch ganz schön schwer gehabt“, wie sie es milde formuliert. Aber dass sie einmal auf der Straße stehen würde, den kleinen Sohn an der einen, eine Tasche mit ihren einzigen Habseligkeiten in der anderen Hand – damit habe sie nie gerechnet.
Azras Geschichte beginnt in Deutschland. Dort wurde sie geboren. Einen deutschen Pass hatte sie allerdings nie: „Ich bin Griechin, wie mein Vater.“ Als Azra 14 war – so erzählt sie –, trennten sich die Eltern, die Tochter lebte fortan beim Vater. Gemeinsam gingen sie zurück in die alte Heimat. Vater und Tochter wechselten danach noch mehrfach den Wohnort, eine Weile lebten sie in Österreich, eine Weile wohnte Azra bei der Großmutter in Griechenland. Die Schule beendete Azra nicht. Sie habe nicht gewusst wie: „Wir sind ja dauernd umgezogen.“
Irgendwann lernte Azra einen Mann kennen, heiratete, bekam ein Kind. Gemeinsam lebte die kleine Familie in der Türkei. An dieser Stelle könnte die Geschichte zu Ende sein, doch das ist sie nicht. Die Ehe scheiterte, und Azra war auf sich alleine gestellt. Weil sie nicht wusste wohin, setzte sie sich mit ihrem Sohn ins Flugzeug und flog nach Düsseldorf. Ein Recht auf Sozialhilfe hat sie als EU-Bürgerin in Deutschland nicht.
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Azra hoffte, in Düsseldorf bei ihrer Mutter unterzukommen. Und sie träumte davon, endlich ihren Schulabschluss zu machen, später vielleicht eine Ausbildung zu beginnen. Doch daraus wurde nichts. Ihre Mutter nahm die junge Frau und deren Sohn zwar bei sich auf, doch schon bald kam es zum Streit, und die Mutter warf Tochter und Enkel aus der Wohnung. „Das war ein Schock“, sagt Azra knapp. „Es war furchtbar, auf der Straße zu stehen. Ich war total verzweifelt.“
Azra hatte Glück. Ein Taxifahrer half der jungen Frau und fuhr sie zur Ariadne, einer Notaufnahme für wohnungslose Frauen der Diakonie. Von dort aus gelangten die Mittzwanzigerin und ihr Sohn ins Mutter-Kind-Projekt der Ariadne im Zooviertel. In der Mutter-Kind-Wohnung finden bis zu vier Frauen mit Kindern oder Schwangere ohne Dach über dem Kopf Zuflucht. Außerdem bekommen sie Unterstützung, um ihre Angelegenheiten zu klären, beispielsweise mit der Familienkasse oder dem Jobcenter. Ist das geschafft, suchen die Mitarbeiterinnen gemeinsam mit den Frauen nach einer neuen Wohnung.
Azra hofft, dass sie nun ein neues Leben beginnen kann. Im Schnitt bleiben die Mütter etwa drei Monate in der Wohnung. Dann haben sie den Weg zurück in ein eigenständiges Leben geschafft. Auch Azra unterstützendie Mitarbeiterinnen auf dem Weg in ein selbstständiges Leben. Sie versorgten Mutter und Kind mit warmer Kleidung und Lebensmitteln und gingen mit Azra zu den Behörden, um zu klären, ob die junge Mutter nicht vielleicht doch ein Anrecht auf Leistungen in Deutschland hat. Als sich zeigte, dass dies unmöglich ist, ermutigten sie sie, Kontakt zu Verwandten in der Türkei aufzunehmen.
Azra wird nun bald aus der Mutter-Kind-Wohnung ausziehen. Die Mittzwanzigerin geht zurück in die Türkei. Die Verwandten, zu denen sie Kontakt aufgenommen hat, haben angeboten, sich um die junge Frau und ihren kleinen Sohn zu kümmern. Azra hatte nach der Trennung von ihrem Mann nicht mit der Hilfe seiner Familie gerechnet und ist nun froh, dass diese sie doch unterstützen will, auch bei der Suche nach einer eigenen Wohnung und einem Job. Azra hofft, dass dies das Ende der Geschichte ist. Und endlich eine neue beginnen kann.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Magazin Diakonie 56, Autorin: Anne Wolf
Foto: (c) Petra Warrass/Diakonie Düsseldorf
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